27. Juni 2024

Der Ruf der Eule

 

Ruf der Eule in der Kleesiedlung

 


von Halgard Bestelmeyer und Nachbarinnen

 

Die Waldohreule ist zwar noch nicht bei nebenan.de, hat jedoch einiges vorzuweisen, was die Hilfsbereitschaft und Nachbarschaftsaktivität im wahrsten Sinne des Wortes „beflügelte“.

In der Kleesiedlung ging das so:

Eines schönen Tages Anfang Mai hockten zwei meiner Nachbarn im Innenhof unseres Grundstückes und blickten konzentriert ins Gebüsch. Ein ungewöhnlicher Anblick.
Neugierig geworden fragte ich, ob ich helfen könne?
Auf der Erde saß eine kleine Eule mit großen Augen und klapperte mit dem Schnabel.
Aus dem Geäst der Linde beobachteten uns zwei angriffslustige Krähen, die das Kleine zu attackieren versuchten. Das Eulchen konnte noch nicht richtig fliegen, brauchte also Hilfe.
In einem großen `Hundereisehaus´ konnten wir es einfangen.

Waldohreulen sind unter den Eulenvögeln die Streitbarsten: selbst das kleine verschreckte Ding trippelte tapfer klappernd und mit gespreitzten Flügelchen angriffslustig auf den vor ihm behutsam mit einer Decke vorrückenden Nachbarn zu.
Man hüte sich vor Schnabel und Krallen der possierlichen Tierchen!

Ich fragte die Nachbarn, auf deren Grundstück die große Fichte steht, in die mein Mann und ich einige Tage zuvor geräuschlos eine Eule verschwinden gesehen hatten, ob wir nach Einbruch der Dunkelheit mit einer 10-Meter-Leiter anrücken dürften. Wir durften also bei Familie E. einfallen und mein Mann schaffte es, den Behälter mit der Eule hinauf zu balancieren, oben zu öffnen und den Ästling, der jetzt gar nicht mehr so ängstlich wirkte, heraus zu schütteln.

Inzwischen war es ein Tierfreundschaftsdienst von bereits vier verschiedenen Nachbarschaftsparteien; alle nahmen wir Anteil, schickten uns die neuste „Eulenpost“ auf unsere Smartphones: Fotos, Infos, Wissenswertes und Beobachtetes.
Alle nahmen wir die Sache sehr ernst, waren besorgt, gespannt und hatten Herzklopfen.

Mittlerweile hatte A sich über den NABU an einen Falkner gewandt, der uns beriet, seine Einschätzungen mitteilte und jeder Zeit erreichbar war. Anderen Tags wachte ich unter der Fichte. Meist sah ich das Eulchen. Ab und zu - wenn ich es klappern hörte - musste ich die Krähen verjagen. Waldohreulen beziehen gerne verlassene Krähennester, sie selbst betreiben keinen Nestbau. Die Nestflüchtigen - meist sind es zwei bis vier - beginnen, auf dem Baum herum zu hüpfen und veranstalten einige Nächte ein kräftiges und sehr ausdauerndes Fiepkonzert. Dies tun sie, damit die Eltern sie füttern, weil sie selbst noch nicht jagen können. In dieser Phase nennt man sie Ästlinge. Diese Vögel ernähren sich von Mäusen, Ratten und manchmal auch Kaninchen. Wenn es davon zu wenige gibt, räubern sie auch schon mal ein Krähennest aus, darum besteht zwischen diesen beiden Gattungen eine natürliche Feindschaft.

Unser Eulchen haben sie nicht bekommen!

Aber gerade, als dieses im Halbdunkel zeigte, dass es nun aufwärts fliegen kann und die Dunkelheit die Krähen schon in die Nester gezogen hat, kam über die Nachbarin E das Foto eines Jungen im Katzenkorb. Den hatte Y unter ihre Fittiche genommen, nachdem sie wiederum von ihrem Doppelhausnachbarn M gerade noch rechtzeitig auf Gartengast aufmerksam gemacht wurde, bevor das nachbarliche Katzensyndikat über sie hergefallen wäre. Kurzer Hand brachte sie es, weil es in Gefahr war und nicht alleine zurechtkommen konnte, zum Bereitschaftsdienst der AniCura, wo es über Nacht in Gewahrsam kam und an eine Fachhelferin vermittelt worden ist, die es wieder auswildert, wenn es soweit sein wird. Auf telefonische Rückfrage wurde uns versichert, dass sie wieder in ihrer Heimat, in der Kleesiedlung, ausgesetzt werde!

Es waren aufregende Nächte, das konstante Fiepen in den alten Baumwipfeln der Kleesiedlung hat kurioserweise nicht nur für regelmäßigen elterlichen Futternachschub gesorgt, sondern darüber hinaus auch die am Boden lebenden Zweibeiner über die eigenen Grundstückgrenzen hinaus in Teamarbeit zusammengeführt und sie unversehens etwas über die heimische Fauna lernen lassen.

 Wir freuen uns über das Happy End dieser Familienzusammenführung der besonderen Art und hoffen sehr, dass die alten Baumbestände unserer Nachbarschaft im nächsten Frühjahr erneut als „Eulen-KiTa“ herhalten dürfen! Und vielleicht erweitert die nächste Generation Waldohreulchen ja auch den bodenständigen Fanclub…?

 

 

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