Ruf der Eule in der Kleesiedlung
von Halgard Bestelmeyer und
Nachbarinnen
Die Waldohreule ist zwar noch nicht bei nebenan.de, hat jedoch einiges vorzuweisen, was die
Hilfsbereitschaft und Nachbarschaftsaktivität im wahrsten Sinne des Wortes
„beflügelte“.
In der Kleesiedlung ging das so:
Eines schönen Tages Anfang Mai hockten zwei meiner Nachbarn
im Innenhof unseres Grundstückes und blickten konzentriert ins Gebüsch. Ein
ungewöhnlicher Anblick.
Neugierig geworden fragte ich, ob ich helfen könne?
Auf
der Erde saß eine kleine Eule mit großen Augen und klapperte mit dem Schnabel.
Aus dem Geäst der Linde beobachteten uns zwei angriffslustige Krähen, die das
Kleine zu attackieren versuchten. Das Eulchen konnte noch nicht richtig
fliegen, brauchte also Hilfe.
In einem großen `Hundereisehaus´ konnten wir es
einfangen.
Waldohreulen sind unter den Eulenvögeln die Streitbarsten:
selbst das kleine verschreckte Ding trippelte tapfer klappernd und mit
gespreitzten Flügelchen angriffslustig auf den vor ihm behutsam mit einer Decke
vorrückenden Nachbarn zu.
Man hüte sich vor Schnabel und Krallen der
possierlichen Tierchen!
Ich fragte die Nachbarn, auf deren Grundstück die große
Fichte steht, in die mein Mann und ich einige Tage zuvor geräuschlos eine Eule
verschwinden gesehen hatten, ob wir nach Einbruch der Dunkelheit mit einer
10-Meter-Leiter anrücken dürften. Wir durften also bei Familie E. einfallen und
mein Mann schaffte es, den Behälter mit der Eule hinauf zu balancieren, oben zu
öffnen und den Ästling, der jetzt gar nicht mehr so ängstlich wirkte, heraus zu
schütteln.
Inzwischen war es ein Tierfreundschaftsdienst von bereits
vier verschiedenen Nachbarschaftsparteien; alle nahmen wir Anteil, schickten
uns die neuste „Eulenpost“ auf unsere Smartphones: Fotos, Infos, Wissenswertes
und Beobachtetes.
Alle nahmen wir die Sache sehr ernst, waren besorgt, gespannt
und hatten Herzklopfen.
Mittlerweile hatte A sich über den NABU an einen Falkner
gewandt, der uns beriet, seine Einschätzungen mitteilte und jeder Zeit
erreichbar war. Anderen Tags wachte ich unter der Fichte. Meist sah ich das
Eulchen. Ab und zu - wenn ich es klappern hörte - musste ich die Krähen
verjagen. Waldohreulen beziehen gerne verlassene Krähennester, sie selbst
betreiben keinen Nestbau. Die Nestflüchtigen - meist sind es zwei bis vier -
beginnen, auf dem Baum herum zu hüpfen und veranstalten einige Nächte ein
kräftiges und sehr ausdauerndes Fiepkonzert. Dies tun sie, damit die Eltern sie
füttern, weil sie selbst noch nicht jagen können. In dieser Phase nennt man sie
Ästlinge. Diese Vögel ernähren sich von Mäusen, Ratten und manchmal auch
Kaninchen. Wenn es davon zu wenige gibt, räubern sie auch schon mal ein
Krähennest aus, darum besteht zwischen diesen beiden Gattungen eine natürliche
Feindschaft.
Unser Eulchen haben sie nicht bekommen!
Aber gerade, als dieses im Halbdunkel zeigte, dass es nun
aufwärts fliegen kann und die Dunkelheit die Krähen schon in die Nester gezogen
hat, kam über die Nachbarin E das Foto eines Jungen im Katzenkorb. Den hatte Y
unter ihre Fittiche genommen, nachdem sie wiederum von ihrem Doppelhausnachbarn
M gerade noch rechtzeitig auf Gartengast aufmerksam gemacht wurde, bevor das
nachbarliche Katzensyndikat über sie hergefallen wäre. Kurzer Hand brachte sie
es, weil es in Gefahr war und nicht alleine zurechtkommen konnte, zum
Bereitschaftsdienst der AniCura, wo es über Nacht in Gewahrsam kam und an eine
Fachhelferin vermittelt worden ist, die es wieder auswildert, wenn es soweit
sein wird. Auf telefonische Rückfrage wurde uns versichert, dass sie wieder in
ihrer Heimat, in der Kleesiedlung, ausgesetzt werde!
Es waren aufregende Nächte, das konstante Fiepen in den
alten Baumwipfeln der Kleesiedlung hat kurioserweise nicht nur für regelmäßigen
elterlichen Futternachschub gesorgt, sondern darüber hinaus auch die am Boden
lebenden Zweibeiner über die eigenen Grundstückgrenzen hinaus in Teamarbeit
zusammengeführt und sie unversehens etwas über die heimische Fauna lernen
lassen.
Wir freuen uns über das Happy End dieser
Familienzusammenführung der besonderen Art und hoffen sehr, dass die alten
Baumbestände unserer Nachbarschaft im nächsten Frühjahr erneut als „Eulen-KiTa“
herhalten dürfen! Und vielleicht erweitert die nächste Generation
Waldohreulchen ja auch den bodenständigen Fanclub…?